Stellungnahme zur Bezahlkarte

Stellungnahme der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rat der Stadt Rietberg zur Diskussion um die Einführung der Bezahlkarte

Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rat der Stadt Rietberg lehnt die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber:innen entschieden ab.
Die vom Stadtrat mehrheitlich getroffene Entscheidung halten wir aus mehreren Gründen für falsch, denn die Karte erzielt nicht nur keinen erkennbaren Nutzen, sondern bringt im Gegenteil für alle Seiten ehebliche Nachteile mit sich.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Einführung der Karte mit erheblichen Kosten für NRW und auch die teilnehmenden Kommunen verbunden ist. Hierzu ist allein im Landeshaushalt 2025 eine Summe von 12,5 Millionen Euro vorgesehen. Ein Betrag der weit sinnvoller für bessere und umfangreichere Integrationsmaßnahmen hätte ausgegeben werden sollen.

Den zusätzlichen Bearbeitungsaufwand für die Kommunen hat z. B. die Stadt Marl mit ca. 30 Minuten pro Fall und Monat angesetzt. Übertragen auf Rietberg würde das bedeuten, dass auf die Sachbearbeitung monatlich rund 90 (181 x 0,5St.) zusätzliche Arbeitsstunden zukämen.

Die Stadt Halle führte dazu in ihrer Vorlage für den Rat am 21.05.25 wie folgt aus:

„Das Land Nordrhein-Westfalen hat zugesagt alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Bezahlkarte anfallen, bspw. für die Karten, Schulungen oder die Software, den Kommunen zu erstatten.
Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass die Stadt Halle (Westf.) für diese Kosten erst in Vorleistung treten müsste. Örtliche Personalkosten der Stellen für die Gewährung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder der Flüchtlingsberatung sowie mögliche Kosten für Gerichtsverfahren werden vom Land nicht übernommen.
Die Höhe der anfallenden Kosten kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht verlässlich abgeschätzt werden.“

Statt für mehr Effizienz zu sorgen, erhöht die Bezahlkarte den bürokratischen Aufwand. Neue technische Systeme müssen eingeführt, gepflegt und verwaltet werden. Das bindet personelle Kapazitäten, die in Rietberg ohnehin schon knapp bemessen sind. Das bisherige Verfahren der direkten Überweisung auf Girokonten hat sich in der Praxis bewährt und funktioniert. Für uns gibt es keine sachlichen Gründe, dieses funktionierende System durch ein aufwendigeres und teureres zu ersetzen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Notwendigkeit über sogenannte „Whitelist“- oder „Blacklist“-Mechanismen zu kontrollieren, welche Ausgaben den Nutzer:innen erlaubt oder verboten sein sollen. Auch das verursacht nicht nur zusätzlichen Verwaltungsaufwand, sondern wirft auch ethische und datenschutzrechtliche Fragen auf. Wie soll der Verwaltungsmitarbeiter entscheiden können, welche Geschäfte in welchem Umkreis freigeschaltet werden oder auf welche Konten der Antragsteller überweisen darf und auf welche nicht? Da die Karte über eine App gesteuert wird benötigt jede Leistungsempfangende Person zudem auch ein Smartphone, um die Karte zu nutzen. Dort stellt sich die Frage, wie und von wem die Menschen damit ausgestattet werden.
Zahlreiche andere Kommunen -im Kreis Gütersloh die überwiegende Mehrheit- haben diese Probleme im Vorfeld erkannt und die Einführung der Bezahlkarte daher abgelehnt.

Überweisungen ins Ausland ein teurer Trugschluss
Häufig wird als Argument für die Bezahlkarte angeführt, dass Geflüchtete in großem Stil Geld ins Ausland überweisen würden. Doch laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) tun dies lediglich rund sieben Prozent der Migrant:innen, also ein sehr geringer Anteil. Wie viele davon sich im laufenden Asylverfahren befinden, denn nur diese würden überhaupt Bezahlkarten bekommen, ist statistisch kaum erfassbar.
Die Realität widerspricht also den, auch in der Ratsvorlage zitierten, ominösen „Finanzexperten aus den Medien“ und auch dem von CDU und UWG als Begründung herangezogenen „gesunden Volksempfinden“, welches unserer Meinung nach von interessierter Seite durch solche Falschinformationen bewusst beeinflusst wird.

Die Einführung der Bezahlkarte entbehrt daher einer belastbaren Datengrundlage und trägt zur Stimmungsmache bei, ohne die tatsächlichen Herausforderungen von Integration und des mitzudenkenden demografischen Wandels anzugehen.
Hinzu kommt, dass die Bezahlkarte technisch keine EC-Karte, sondern eine Prepaid/Kredit-Karte ist, ein Detail, das im Alltag gravierende Auswirkungen haben kann. Denn viele kleinere Läden akzeptieren keine Kreditkartenzahlung. Auch auf Flohmärken oder bei Kleinanzeigen, wo die Betroffenen sicherlich sparen könnten, wird Einkaufen kaum mehr möglich sein.
Weshalb ja auch weiter eine Bar-Auszahlung in Höhe von 50 € vorgesehen ist. Gegen diese Pauschale gibt es aber schon jetzt Gerichtsurteile (Sozialgericht Hamburg), sodass weiterhin auf Antrag auch eine individuelle Bargeldauszahlung umgesetzt werden muss.
Dies ist aus den oben genannten Gründen sinnvoll, macht die Bezahlkarte allerdings zu einem Bürokratiemonster, das letztlich die Menschen im Asylverfahren stigmatisiert, sinnlos schikaniert und die zuständigen Verwaltungsmitarbeiter unnötig zusätzlich belastet.

Aus all diesen Gründen sind wir überzeugt:

Die Einführung der Bezahlkarte bringt keinen echten Fortschritt, sondern verschärft bestehende Probleme. Sie schafft neue Bürokratie, basiert auf unbegründeten Vorannahmen und durch Nichts bewiesenen Behauptungen.
Sie erschwert die Integration und das tägliche Leben der geflüchteten Menschen und verursacht enorme zusätzliche Kosten in Bund, Land und Kommunen.

Für uns Grüne in Rietberg ist klar:

Diese Entscheidung war ein Schritt in die falsche Richtung.

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rat der Stadt Rietberg